So begleiten Sie als Betriebsrat das BEM Ihrer Kolleginnen und Kollegen erfolgreich

14. April 2020

Die erfolgreiche Durchführung eines BEM setzt vor allem eine gute Struktur voraus. Nur so können dessen Ziele erreicht und Ihre kranken Kollegen wieder eingegliedert werden. Im Folgenden lege ich Ihnen als Betriebsrat deshalb dar, wie Sie Schritt für Schritt ein BEM gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber erfolgreich durchführen.

1. Schritt: Fehlzeiten erfassen

Nicht bei jeder kurzen Arbeitsunfähigkeit Ihrer Kolleginnen und Kollegen ist gleich an ein BEM zu denken. Vielmehr ist das Verfahren nur dann durchzuführen, wenn

■ ein Kollege innerhalb eines Jahres

■ länger als 6 Wochen ununterbrochen oder

■ wiederholt arbeitsunfähig krank ist, so regelt es § 167 Sozialgesetzbuch IX.

2. Schritt: Krankheitszeitraum ermitteln

Rechnen Sie 12 Monate zurück. Denn nur dann, wenn Sie die Krankheitszeiten der vergangenen 12 Monate im Auge haben und erfassen, wissen Sie bzw. weiß Ihr Arbeitgeber, ob er ein BEM durchführen muss.

3. Schritt: Kooperieren Sie mit Ihrem Arbeitgeber

Stellt Ihr Arbeitgeber fest, dass bei einem Arbeitnehmer ein BEM durchzuführen ist, darf er nicht allein handeln. Er muss mit Ihnen als Betriebsrat, dem betroffenen Arbeitnehmer und ggf. der Schwerbehindertenvertretung klären, welche Maßnahmen im Rahmen des BEM durchgeführt werden sollen.

Wirken Sie auf Ihren Arbeitgeber ein, dass er nicht gleich alle – also den Betroffenen und die angesprochenen weiteren Beteiligten – an einen Tisch setzt. Das wäre unter Umständen noch zu früh. Zunächst sollte er nur an Sie als Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung bzw. bei Bestehen das Integrationsteam (ein auf freiwilliger Basis zu bildendes Team, bestehend aus einem Vertreter Ihres Gremiums, der Schwerbehindertenvertretung und Ihrem Arbeitgeber) herantreten und darauf hinweisen, dass bei einem Arbeitnehmer die Durchführung eines BEM ansteht.

! WICHTIG

Bei den konkreten Maßnahmen bestimmen Sie nicht mit

Auch wenn Sie als Betriebsrat am BEM zu beteiligen sind, haben Sie bei der Festlegung konkreter Maßnahmen kein Mitbestimmungsrecht.

4. Schritt: Sprechen Sie mit dem Betroffenen

Als Nächstes muss Ihr betroffener Kollege mit ins Boot geholt werden. Ihr Arbeitgeber

sollte ihn schriftlich zu einem Gespräch über das BEM einladen. Nehmen Sie als Betriebsrat an dem Gespräch unbedingt teil, es sei denn, dass der Kollege sich ausdrücklich gegen Ihre Anwesenheit ausspricht.

In diesem Erstgespräch muss Ihr Arbeitgeber dem betroffenen Kollegen dann mitteilen, was es mit dem BEM konkret auf sich hat. Es sollte in dem Gespräch also darum gehen,

■ welche Ziele mit dem BEM verfolgt werden (Wiedereingliederung vor Kündigung),

■ wie lange das BEM dauern kann (6 Monate, ein Jahr oder noch länger),

■ welche Maßnahmen auf ihn zukommen können,

■ ob er Krankheitsdaten preisgeben muss und – wenn ja – welche sowie

■ wie diese Daten geschützt werden.

Um ein BEM wirklich umsetzen zu können, wird Ihr Kollege Atteste des behandelnden Arztes vorlegen, den Arzt eventuell von der Schweigepflicht entbinden oder zumindest dessen ausführliche Stellungnahme vorlegen müssen. Aus einer solchen muss hervorgehen, inwieweit Ihr Kollege aktuell noch leistungsfähig ist.

Transparenz ist wichtig

Sagen Sie Ihrem Kollegen dies offen. Oft wissen Betroffene gar nicht, worum es beim BEM im Detail geht, und sind dann geschockt, wenn sensible Daten übergeben werden sollen.

5. Schritt: Sprechen Sie mit den übrigen Beteiligten

Hat sich Ihr Kollege mit der Durchführung des BEM einverstanden erklärt, können Sie sich mit ihm, Ihrem Arbeitgeber und bei schwerbehinderten Kollegen mit der Schwerbehindertenvertretung zusammensetzen. Ziel ist es, gemeinsam die zu treffenden Maßnahmen zu besprechen. Im Gespräch müssen unter anderem die folgenden Fragen geklärt werden:

■ Seit wann ist der Kollege erkrankt?

■ In welcher Form treten die Fehlzeiten auf (lang andauernde, häufige Kurzerkrankungen)?

■ Liegt eine Schwerbehinderung/Gleichstellung vor?

■ Ist ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung des Kollegen und dem Arbeitsplatz erkennbar?

■ Sind bereits medizinische Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt worden oder geplant? Wenn ja: welche Maßnahmen in welchem Zeitraum? (Dadurch kann sich für Ihr BEM noch einmal Änderungsbedarf ergeben.)

■ Kann die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes optimiert werden, z. B. durch technische Hilfsmittel?

■ Können die Arbeitsbelastungen minimiert werden, etwa durch flexible Arbeitszeitmodelle?

■ Gibt es im Betrieb leidensgerechte Einsatzmöglichkeiten?

Anhand der Antworten auf diese Fragen können Sie leichter erkennen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

! WICHTIG

Anspruch auf staatliche Leistungen zur Teilhabe?

Hat Ihr Kollege Anspruch auf staatliche Leistungen zur Teilhabe, z. B. auf begleitende Hilfen im Arbeitsleben, dann sollten er und der Arbeitgeber sich an das Integrationsamt oder die Servicestellen (Berufsgenossenschaften oder Deutsche Rentenversicherung Bund) wenden. Mit den Leistungen zur Teilhabe soll bei erheblicher Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit der Verbleib des Betroffenen im Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden. Das kann z. B. durch Reha-Maßnahmen, Weiterbildungen und Umschulungen geschehen.

Sprechen Sie Ihren Arbeitgeber darauf an. Jede Leistung, die den Kollegen gesund erhält oder zu seiner Gesundung beiträgt, muss genutzt werden.

6. Schritt: Legen Sie konkrete Maßnahmen fest

Am Ende des gemeinsamen Gesprächs müssen Sie dann zusammen festlegen, welche Maßnahmen konkret getroffen werden, um die Arbeitskraft des Kollegen zu erhalten. Ziehen Sie dabei folgende Maßnahmen in Betracht:

■ Prüfen Sie eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit auf Teilzeit.

■ Ist eine Arbeitsunfähigkeit durch einen Bandscheibenvorfall oder andere ernsthafte Rückenprobleme hervorgerufen, kann eine Arbeit im Wechsel helfen (teils sitzend, teils stehend).

■ Generell können flexible Arbeitszeitmodelle wie die Telearbeit sich häufig entlastend auswirken.

■ Prüfen Sie im Rahmen Ihrer Überlegungen auch, ob eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz sinnvoll wäre. Und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, dass insoweit entsprechende Schulungen notwendig werden könnten. Auch diese wären vom BEM erfasst.

■ Je nach Erkrankung hilft unter Umständen auch schon die Anschaffung ergonomischer Möbel.

■ Möglich ist zudem der Wechsel von Mehrschichtarbeit in Einschichtarbeit oder ein Stellungswechsel von einem Steharbeitsplatz an einen Büroarbeitsplatz.

■ Außerdem ist an eine stufenweise Wiedereingliederung zu denken, wenn der Kollege über einen längeren Zeitraum erkrankt war.

Achten Sie als Betriebsrat in jedem Fall auf die Festlegung geeigneter Maßnahmen. Gehen Sie dabei stets vom konkret betroffenen Kollegen aus. Prüfen Sie anhand seiner Geschichte, was bei ihm mit dem BEM für ein Ziel verfolgt werden soll und wie es am besten erreicht werden kann.

Aus der folgenden Übersicht können Sie die Ziele des BEM und ein paar Beispiele zur Verdeutlichung entnehmen:

Übersicht: Das sind die Ziele des BEM

ZieleMaßnahmenBeispiele
(Erneuter) Arbeitsunfähigkeit vorbeugenPräventionGesundheitsförderung
Arbeitsunfähigkeit überwindenRehabilitationStufenplan, Arbeitsbelastungserprobung
Arbeitsplatz erhaltenIntegrationVersetzung, Fortbildung, Umschulung, Veränderung der Arbeitszeit

Downloads zum Thema

Bei entsprechenden Überlegungen darf der Betriebs- bzw. Werksarzt oder eine Stellungnahme des behandelnden Arztes nicht fehlen. Schließlich kann letztendlich nur ein Arzt beurteilen, wie es um die Leistungsfähigkeit des betroffenen Kollegen steht und wie bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit ein Wiedereingliederungsplan konkret aussehen kann.

7. Schritt: Effizienzkontrolle nicht vergessen

Wurden mit Ihrem Kollegen bestimmte Maßnahmen im Rahmen eines BEM festgelegt, prüfen Sie spätestens nach 6 Monaten zusammen mit Ihrem Arbeitgeber, ob die Maßnahmen auch die gewünschte Wirkung haben. Prüfen Sie in diesem Rahmen, ob sich die Arbeitskraft des Kollegen verbessert und ob er weniger Krankheitszeiten zu verzeichnen hat. Zeigt sich, dass das BEM nicht zu einer Verbesserung führt, müssen andere Maßnahmen anvisiert werden. Ihrem Kollegen muss aber klar sein, dass ihm die Kündigung droht, falls das BEM nicht zum Erfolg führt.

Tipp: Prüfen Sie, ob Ihr Arbeitgeber Schuld hat
Zieht Ihr Arbeitgeber nach einem erfolglosen BEM tatsächlich eine Kündigung in Erwägung, prüfen Sie im Anhörungsverfahren, ob er Schuld am Scheitern hat, z. B. weil er gegen die getroffenen Vereinbarungen verstoßen hat. In einem solchen Fall hat ein durch den Betroffenen eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg.

Wenn Ihr Arbeitgeber sich schwertut

Neben den gesetzlichen Ansprüchen, die Ihr Arbeitgeber berücksichtigen muss, können Sie mit folgenden Argumenten für eine strukturierte Wiedereingliederung plädieren:

■ Ihr Arbeitgeber erhält eine festgelegte Handlungshilfe für Problemfälle.

■ Er senkt die Kosten durch die Inanspruchnahme von Fördermitteln.

■ Die Motivation der Kollegen steigt – und damit die Produktivität, denn Ihr Arbeitgeber zeigt sich fürsorglich.

■ Er erreicht höhere Beschäftigungsquoten, denn schwerbehinderte, kranke oder behinderte Kollegen werden wieder sinnvoll eingesetzt.

■ Die Kolleginnen und Kollegen sind gesünder und leistungsfähiger.

■ Die Entgeltfortzahlungskosten sinken.

■ Ihr Arbeitgeber kommt seiner gesetzlichen Verpflichtung nach.

■ Die Anzahl der krankheitsbedingten Kündigungen wird gesenkt.

Integrationsteam einrichten

Die Durchführung und spätere Erfolgskontrolle eines BEM sind aufwendig. Sie kosten viel Zeit und haben einen beträchtlichen Organisationsaufwand. Entlastung kann hier die Bildung eines Integrationsteams bringen. Das Team kann aus jeweils einem Mitglied

■ des Betriebsrats,

■ der Schwerbehindertenvertretung und

■ der Geschäftsführung bestehen.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Aufgaben werden gebündelt und können dadurch routiniert erledigt werden.

Das Team könnte die Krankheitsdaten sammeln und auch die Effizienzkontrolle übernehmen. Da bei diesem Team dann alle Daten und Fakten zusammenlaufen, kann eine Art Frühwarnsystem eingerichtet werden.

Das Integrationsteam wäre die Schaltstelle für die Entscheidung und Umsetzung Ihres BEM. Damit hätten Sie und Ihr Arbeitgeber dann nicht nur das BEM gebündelt, es wäre auch klar, dass im Prinzip nur das Team über die Mitarbeiterdaten Bescheid weiß.

Das genügt auch den Anforderungen des Datenschutzes. Zudem ist es vertrauensbildend. Kolleginnen und Kollegen sind dann eher bereit, sich auf ein BEM einzulassen.

Tipp: Werden Sie präventiv tätig
Ein gutes Integrationsteam wird einige Zeit, nachdem es seine Arbeit aufgenommen hat, auch Erfahrungswerte gesammelt haben, wann für einen Kollegen typischerweise ein BEM notwendig wird. Empfehlen Sie, dass das Team Alarm schlagen soll, wenn die erforderlichen Krankheitszeiten für ein BEM zwar noch nicht, aber schon fast erreicht sind. Ihr Arbeitgeber muss es ja nicht so weit kommen lassen, sondern kann schon im Vorfeld Schonmaßnahmen ergreifen.

Checkliste Die wichtigsten Schritte beim BEM

  • Sie haben festgestellt, dass der Kollege die zeitlichen Grenzen der Arbeitsunfähigkeit des § 167 Abs. 2 SGB IX überschritten hat.
  • Der betroffene Kollege wurde über das beabsichtigte BEM und dessen Ziele informiert.
  • Der Betroffene wurde über die für das BEM erhobenen und verwendeten Daten informiert.
  • Die schriftliche Zustimmung des Kollegen wurde eingeholt bzw. seine Verweigerung dokumentiert.
  • Können Sie alle Punkte mit Ja abhaken, haben Sie die wichtigsten Vorbereitungen getroffen

Downloads zum Thema

© 04/2020 VNR AG 

Sie haben eine individuelle Sachlage, die Sie kurz besprechen möchten? Dann schreiben Sie unsere Experten über den nachfolgenden Button an.

Preview Image
Experten befragen

Sie erhalten innerhalb von 24 Stunden Ihre Antwort!
Neueste Beiträge
Schulungstermin buchen
Ihr Lotsenservice
Rufen Sie unser Service-Team jederzeit kostenlos an:
Tel.: +49 228 9550-290
E-Mail: team@smart-br.net
Oder buchen Sie jetzt Ihren unverbindlichen Schulungstermin bei unserem Smart BR-Serviceteam:
Wir zeigen Ihnen wie Sie jederzeit und von jedem Ort jedes Mitbestimmungsproblem lösen!
Wie Sie mit wenigen Klicks auf rechtsichere Fachinformationen und Arbeitshilfen zugreifen können.
Wie Sie individuelle Zugänge anlegen und Ihre Betriebsratsarbeit optimieren können.
Produkt Manager
Bitte wählen Sie Ihren Wunschtermin aus und vereinbaren Sie jetzt Ihren persönlichen Online-Termin.
Kristin Richter, Produktmanagerin von Smart BR.